Mysteriöser Ausreißer: Astronomen haben einen kosmischen Radioblitz detektiert, der ebenso beispiellos wie rätselhaft ist. Denn dieser Fast Radioburst kommt aus einer alten, nahezu „toten“ Galaxie. Sie bildet schon seit Milliarden Jahren kaum noch neue Sterne – und damit auch keine Magnetare, die als Urheber der Radioblitze gelten. Doch wie ist dieser FRB 20240209A getaufte Radioburst dann entstanden? Bisher können Astronomen darüber nur spekulieren – sie haben aber eine erste Vermutung.
Fast Radiobursts (FRB) gehören zu den rätselhaftesten Phänomenen der Astronomie. Diese kosmischen Radiopulse dauern nur wenige Millisekunden, setzen aber so viel Energie frei wie unsere Sonne an einem ganzen Tag. Die meisten von ihnen sind einmalige Ereignisse, einige treten aber auch in Serie auf. Doch wie entstehen sie? Bisher ist dies höchst umstritten. Als bisher wahrscheinlichste Urheber gelten Magnetare – Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern.
„Die vorherrschende Theorie besagt, dass Fast Radiobursts von Magnetaren stammen, die durch Kernkollaps-Supernovae gebildet wurden“, erklärt Erstautor Tarraneh Eftekhari von der Northwestern University. Allerdings sind unter den inzwischen mehr als 600 detektierten Radioblitzen auch einige, die nicht zu diesem Szenario passen.
Ein Serientäter mit „schwergewichtiger“ Herkunft
Einen weiteren dieser „Ausreißer“ haben die Astronomen um Eftekhari nun identifiziert und genauer untersucht. Der FRB 20240209A getaufte Radioblitz wurde im Februar 2024 vom CHIME-Radioteleskop in Kanada entdeckt und gehört zum seltenen Typ der „Serientäter“: Bis Juli 2024 hat er sich bereits 22-mal wiederholt. Das ermöglichte es dem Team, den Ursprungsort dieser Radiopulse genauer zu bestimmen. Dafür nutzten sie neben CHIME auch einen Spektrografen des Keck-Observatoriums auf Hawaii.
Es zeigte sich: Die Radiopulse von FRB 20240209A stammen aus einer massereichen, rund zwei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie. „Diese Galaxie hat eine stellare Masse von rund 100 Milliarden Sonnenmassen. Sie ist damit die massereichste Heimatgalaxie eines Fast Radiobursts, die je entdeckt wurde“, berichten Eftekhari und sein Team. Zum Vergleich: Die Sterne unserer Milchstraße bringen zusammen rund 60 Milliarden Sonnenmassen auf die Waage.
Überraschend alte und „tote“ Galaxie
Das Überraschende jedoch: Die Wirtsgalaxie von FRB 20240209A ist zwar groß, aber alt und weitgehend tot. In ihr findet fast keine Sternbildung mehr statt, wie die Astronomen ermittelten. Die meisten Sterne sind schon vor mehr als elf Milliarden Jahren entstanden. Dazu passt, dass diese Galaxie zum elliptischen Typ gehört. Er gehört zu den ältesten Galaxienformen im Universum. „Dies kennzeichnet FRB 20240209A als den ersten sich wiederholenden Fast Radioburst aus einer quieszenten Heimatgalaxie“, berichten die Forschenden.
Damit ist der neue Radioburst nicht nur bisher einmalig – er widerspricht auch der gängigen Theorie zur Ursache dieser Radioblitze. Nach dieser entstehen die Radioausbrüche durch die Kernkollaps-Supernova eines massereichen Sterns und seine Umwandlung zum Magnetar. Das Problem jedoch: In einer so alten, weitgehend toten Galaxie müssen alle kurzlebigen massereiche Sterne schon vor Jahrmilliarden ausgebrannt und explodiert sein. Woher kommt dann dieser Fast Radioburst?
Blitz aus galaktischem „Vorort“
„Diese Art von alter Umgebung lässt uns unsere Standardmodelle für die FRB-Entstehung überdenken und exotischere Entstehungskanäle in Betracht ziehen – das ist spannend“ , sagt Seniorautor Wen-fai Fong von der Northwestern University. Hinzu kommt, dass FRB 20240209A nicht aus dem dichten sternenreichen Zentrum der Galaxie kommt, sondern von ihrem äußeren Rand. Seine Quelle liegt rund 130.000 Lichtjahre vom Zentrum der Galaxie entfernt. Auch das sei bisher beispiellos, wie die Astronomen erklären.
Das ist sowohl überraschend als auch spannend“, sagt Koautorin Vishwangi Shah von der McGill University. „Die Lage dieses FRBs so weit außen in seiner Heimatgalaxie wirft die Frage auf, wie solche energiereichen Ereignisse in Regionen auftreten können, in denen keine neuen Sterne entstehen.“ Denn in solchen galaktischen „Vororten“ gibt es normalerweise nur wenige Sterne und aktive Sternenwiegen. Wie konnte dieser Radioburst dort entstehen?
Steckt ein Kugelsternhaufen dahinter?
Eine mögliche Antwort liefert ein schon früher entdeckter Fast Radioburst. FRB 20200120E kam vom sternenarmen Außenrand der rund zwölf Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie Messier 81. „Tatsächlich könnte unser Radioburst ein Zwilling des M81-Ereignisses sein“, sagt Fong. 2022 enthüllten Beobachtungen, dass dieser Radioblitz FRB 20200120E von einem Kugelsternhaufen ausging. Das Spannende daran: In solchen alten, dichten Sternenhaufen könnten Magnetare auf eine andere Weise als durch Supernovae entstehen.
Konkret besagt das Szenario: In den Kugelsternhaufen kommen sich benachbarte Sternenreste – beispielsweise Weiße Zwerge – manchmal sehr nahe. Dabei könnten sie kollidieren und miteinander zu einem Magnetar verschmelzen. Denkbar wäre auch ein sogenannter akkretionsinduzierter Kollaps. Dieser tritt ein, wenn ein Weißer Zwerg von einem stellaren Begleiter so viel Material absaugt, dass er unter seiner eigenen Schwerkraft zu einem Magnetar kollabiert. Beide Szenarien könnten erklären, wie Fast Radiobursts auch in „Vororten“ von Galaxien entstehen.
James-Webb-Teleskop könnte mehr Klarheit bringen
Ob diese alternative Erklärung jedoch auf den aktuell untersuchten Radioburst zutrifft, ist noch unklar. „Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob sich ein Kugelsternhaufen an der Position von FRB 20240209A befindet“, sagt Shah. Die Astronomen haben aber schon einen Antrag auf Beobachtungszeit am James-Webb-Teleskop gestellt. Mithilfe seiner hohen Auflösung hoffen sie, den Kugelsternhaufen – falls vorhanden – aufzuspüren.
„Dieser neue Fast Radioburst zeigt uns: Gerade wenn man denkt, ein astrophysikalisches Phänomen verstanden zu haben, überrascht das Universum uns“, sagte Fong. „Das macht unser Forschungsgebiet so unglaublich spannend.“ Eftekhari ergänzt: „Es scheint klar, dass es im Zusammenhang mit Fast Radiobursts noch viele spannende Entdeckungen zu machen gibt und dass ihre Umgebungen der Schlüssel zur Entschlüsselung ihrer Geheimnisse sein könnten.“ (The Astrophysical Journal Letters, 2025; Preprint doi: 10.48550/arXiv.2410.23336)
Quelle: Astrophysical Journal Letters, Northwestern University